Dürfen sich Jecke Edelweißpiraten nennen?
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EXPRESS – KÖLN – Donnerstag, 15. September 2011 – Seite 29


Empörung über einen neuen Wesselinger Karnevalsverein

 

Dürfen sich Jecke Edelweißpiraten nennen?

Von ROBERT BAUMANNS

Köln – Sie entzogen sich dem Nazi-Drill und leisteten als Jugendliche Widerstand gegen die Hitler-Diktatur – die Edelweißpiraten.

Einige von ihnen wurden 1944 in Ehrenfeld von der Gestapo öffentlich hingerichtet.

Jetzt will sich eine Wesselinger Karnevalsgesellschaft nach der Widerstandsgruppe benennen.

Die Überlebenden sind entsetzt ...


Das Leid, das wir Edelweißpiraten und unsere Toten erfahren haben, wird mit Füßen getreten“, sagt Gertrud „Mucki“ Koch (87).

Auch Fritz Theilen (83), wie Koch Bundesverdienstkreuzträger, ist empört:

Die haben sie doch nicht mehr alle im Koffer.

Ich bin absolut dagegen, dass der Name Edelweißpiraten von einer Belustigungstruppe benutzt und verschmutzt wird.

Jürgen Clef, Vize-Präsident der KG, versteht die Aufregung nicht:

Wir sind stolz auf den Namen Edelweisspiraten.

Das hat ja auch mit Widerstand zu tun, denn die Wesselinger CDU läuft dagegen Amok, dass wir diesen Namen gewählt haben.

Außerdem stammt mein Vater auch aus Ehrenfeld.

Überdies schreiben wir uns mit >>ss<<, nicht mit scharfem >>ß<<.“

Man wolle, so Clef, als „KG Edelweisspiraten“ Geld sammeln, damit auch Kinder aus armen Familien Kinderprinz werden können.

Wir wollen den Pänz zeigen, dass es auch ein Leben ohne Computer gibt, dass man auch gemeinsam etwas unternehmen kann.

So, wie die Edelweißpiraten sich früher getroffen und gesungen haben.“

Edelweißpirat Jean „Schang“ Jülich (82) entsetzt:

Dafür muss man nicht den Namen Edelweißpiraten missbrauchen.

Viele von uns sind im Kampf für die Freiheit von den Nazis gefoltert und ermordet worden.

Das war nicht lustig und belastet uns Überlebende bis heute.“

Wolfgang Schwarz (85), dessen Bruder Günther 1944 zusammen mit Bartholomäus Schink und anderen Jugendlichen im Alter von 16 Jahren in Ehrenfeld hingerichtet worden ist, nennt die Namenswahl der Karnevalisten nur „grausam!“

Dr. Werner Jung, Chef des NS-Dokumentationszentrums, hofft, dass die Jecken zur Besinnung kommen.

Ich biete eine Führung durch unser Haus an, damit sie ihre Entscheidung fundiert überdenken können.“


Texte unter den Fotos von ZIK und BAUMANNS:

In dieser Zelle der Gestapo-Zentrale war Gertrud Koch inhaftiert.

Edelweißpirat Jean „Schang“ Jülich ist wie seine Mitkämpfer entsetzt über die Namenswahl der Jecken: „Viele von uns sind gefoltert und ermordet worden.“


 

 

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