„ Gedenken an Lager in Bickendorf“
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KÖLNISCHE RUNDSCHAU – Mittwoch, 2. Juni 2010 – Stadtteile – Seite 35


Gedenken an Lager in Bickendorf

Sinti und Roma wurden auf Sportgelände interniert


Von HANS-WILLI HERMANS


Bickendorf An das sogenannte „Zigeunerlager“ in Bickendorf konnte sich Konrad Gilges, früheres Ratsmitglied der SPD, noch recht gut erinnern. Auf dem ehemaligen Sportplatz des Vereins Schwarz-Weiß Köln zwischen Ossendorfer Weg und Mühlen­straße hatten es die Nationalsozialisten eingerichtet.

Wo heute für die Pänz des Westends ein Spielplatz angelegt ist, mussten seit 1935 knapp 500 Sinti und Roma in einem mit Sta­cheldraht umzäunten Lager hausen. „Nach dem Krieg sind alle Kölner Sinti und Roma, die die Vernichtungslager überlebt hat­ten, zunächst einmal dorthin zurückgekommen. Bis ihnen andere Aufenthaltsorte zugewiesen wurden“, erzählt Gilges auf der Mahn- und Gedenkveranstaltung nahe der Unterführung Venloer Straße / Matthias-Brüggen-Straße, zu der Bezirksbürgermeister Josef Wirges eingeladen hatte.

Seit zehn Jahren wird dort an die Verschleppung der Kölner Sinti und Roma im Mai 1940 in die Ghettos und Vernichtungslager im besetzten Polen erinnert. Wirges machte deutlich, dass bereits 1926 eine Richtlinie in der Rheinprovinz zum Umgang mit dem „Zigeunerunwesen“ in Kraft getreten war, die unter anderem die Zusammenfassung an einem Ort vorsah. Hatte diese Ansiedlung im Bickendorfer Lager noch offiziell ordnungspolitische Gründe, so wurden Sinti und Roma von den Nationalsozialisten offen ver­folgt.

Im Bickendorfer Lager waren sie in unbewohntem Gelände von der übrigen Bevölkerung abgesondert, wurden von SS-Leuten bewacht und zu Zwangsarbeit gepresst. „Seit 1938 hingen außer­dem an allen Geschäften der Stadt Schilder, auf denen stand: ‚Ju­den und Zigeuner haben keinen Zutritt’, in den Kliniken wurden sie nicht mehr behandelt. Schließlich wurden in den Vernich­tungslagern rund 1500 Kölner Sinti und Roma ermordet“, er­zählte Wirges.

Er nutzte den Gedenktag auch zum Appell an die Bevölkerung, sich nicht von Hetzparolen gegen ausländische Mitbürger beein­flussen zu lassen. Zugegen waren auch Rolly Brings und seine Bänd, die drei Lieder zum Thema vortrugen. In „Freeborn Man of the Travelling People“ des Iren Ewan MacColl etwa geht es um die Freiheitsliebe des fahrenden Volkes, und auch „Die drei Zigeuner“ von Nikolaus Lenau sind eher romantisch geprägt. „Der alte Zigeuner“ schließlich hatte Rolly Brings vor rund 30 Jahren geschrieben – für seinen Freund Liela Steinberger, der etwa 30 Verwandte in den Vernichtungslagern verloren hatte, und der nach dem Krieg dennoch zurückkam und sein Geld als Schrott- und Antiquitätenhändler verdiente: „Hä fäht üvver de Dörfer un maggelt met de Lück.“ Aber Liela Steinberger war eben auch Musiker: „Sing Jeich, die juz, die laach un sink, bes dat em Oste de Sonn opblink, un kriesch öm sing Lück, die en Auschwitz jeblevven sin.“ Angeregt wurde auch, nicht nur bei runden Gedenktagen, sondern alljährlich im Mai in Bickendorf eine Gedenkveranstaltung durchzuführen. Möglichst unter Betei­ligung von Sinti und Roma.

Der Vorsitzende des Landesverbandes mit Sitz in Düsseldorf war zwar eingeladen worden, ließ sich aber aus terminlichen Gründen entschuldigen. Aber warum immer nach Düsseldorf gehen? Zu­fällig fuhr während Wirges’ Vortrag Rielo Steinberger, Liela Steinbergers Sohn, die Venloer Straße entlang und stoppte aus Neugier über die Vorgänge am Ort des Gedenkens. Er gehört zu den Sinti und Roma, die sich nach dem Krieg in Roggendorf-Thenhoven niederließen: „Bei solchen Feiern würden bestimmt viele von uns gerne mitmachen.“

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