Buchveröffentlichung
Och dat mi Hätz es Kölsch
(c) by Christel Amberg-Wiegand

Christel war so lieb und hat uns ein paar Zeilen zur Buchpräsentation am 28. März 2004 geschrieben.

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Och dat, mi Hätz, es kölsch Es ist eine unchristliche Zeit, so eine Matinee am frühen Sonntag Morgen - zumal die Nacht nicht nur wegen der Umstellung auf die Sommerzeit kurz war. Doch für Müdigkeit oder sonstige Schwächen haben wir keine Zeit, wir sind viel zu aufgekratzt und aufgeregt. Schließlich sind "Film- und Foto-Auftragsarbeiten" abzuliefern und das ist immer etwas ganz Besonderes. Entsprechend frühzeitig sind wir da, damit der Fotograf und die Filmerin die Licht- und Tonverhältnisse testen können, den besten Standort bzw.Sitzplatz finden usw. Wie beim "richtigen" Film gibt es sogar Stell- und Tonproben. Nur der Techniker, der die Bühne, die Mikros, das Licht, den Sound und alles andere macht ist noch früher vor Ort. Kurz vor elf füllt sich dann langsam der kleine Saal.

Jupp Schmidt von der Akademie für uns kölsche Sproch eröffnet die Lesung mit einleitenden Worten. Er braucht uns den Künstler, Dichter, Menschen Rolly Brings natürlich nicht besonders vorzustellen. Das Buch mögen wir nicht nur als Ansammlung von Liedtexten verstehen und lesen, sondern auch als Geschichtsbuch. Selbstverständlich hat auch Ralf Liebe vom Verlag Landpresse ein paar Grußworte für uns, in denen er uns erzählt, auf welch wundersame Weise das Buch zu ihnen kommen sei und wie wenig Zeit geblieben sei, das Buch noch rechtzeitig zum heutigen Tag fertig zu stellen. Natürlich ist er stolz und froh darüber, dass es nach dem Logbuch I von Rolly nun zu einer weiteren Zusammenarbeit gekommen ist.

Zu den Texten gibt es natürlich auch Noten - aber die Worte können sehr gut allein stehen, sie brauchen nicht unbedingt die Musik zum lebendig werden. Das Buch stellt zu jedem Text auch die Übersetzung daneben. Die sollte man aber wirklich nur als Verständnishilfe lesen. Rollys Kölsch ist seine eigene gesprochene Sprache - jenseits der von der Akademie für uns kölsche Sproch nun in einer Art kölschen Rechtschreibreform verordneten Sprache. Rollys Sprache ist gelebtes gesprochenes Wort, sehr poetisch, kraftvoll und ehrlich, manchmal auch derb. Aber niemals verletzend.

Endlich kommt nun auch Rolly zu Wort. Er eröffnet die Lesung mit "Voyeure", jenem Text, an dem man wohl beim Bachem-Verlag Anstoß genommen hat. Die Zusammmenarbeit mit dem Bachem-Verlag ist kurzfristig doch nicht zustande gekommen - es gab Differenzen bezüglich einiger Texte, die angeblich kirchen- und frauenfeindlich seien. Man hatte sich wohl erst sehr spät überhaupt die Mühe gemacht, das Manuskript zu lesen, das schon sehr lange vorlag. Oder war es eine Generalverurteilung, Familienschelte, die ganz und gar in das vergangene Jahr passt, wo manch einer sich zum Moralapostel aufschwingen wollte? Rolly hat es jedenfalls abgelehnt, auch nur ein Komma zu ändern.

Eine Bildbeschreibung ganz eigener besonderer Art. Das Bild von Max Ernst: Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Eluard und dem Maler, 1926, ausgestellt im Museum Ludwig Köln. Ich bin ungeübt in Bildbetrachtungen und -interpretationen, aber so geführt, wird mir schnell klar, dass da nichts Frauenfeindliches oder Kirchenfeindliches ist. Dass Köln und Karneval nicht immer nur eine lustige Verbindung ist bzw. war, hören wir sehr deutlich in dem Text "Och, wat wor dat fröher". Da muss wohl auch heute noch vieles aufgearbeitet werden, das Bild von Heinrich Hörle, "Masken" 1929, zeigt schon ahnend die unselige Verbindung zur braunen Nazigesellschaft. Und Rolly (be)schreibt es in klaren Worten. In dem Text, der dem Buch den Titel gab, sind zum Beispiel Traumbilder und Szenen wie aus einem nächtlichen Spaziergang verarbeitet. Doch es gibt nicht nur Ernstes zu hören, nein, die Geschichte vom "Ahle Wiev vum Ihrefeld" treibt einem fast das Wasser in die Augen ob der Moral der Geschichte: Permanente Sufferei, die föhrt zor Resistenz! Und nicht zu vergessen die "Schängerei-Litanei! So einen herzlichen Schimpfwortschatz wie seinerzeit Mutter Appolonia Brings wünsche ich mir manchmal! Vor allem: in kölsch verlieren mitunter arge Schimpfwörter an Schärfe. Eine köstliche Charakterisierung von Personen, die sicher nicht nur Rolly nicht sonderlich mag, bringt er in "Ibbendibbendapp...." zu Wort, da kriegt jeder sein Fett weg. Vom geizigen Widerling, Ökofreak, fallschirmspringenden Politikern und überheblichen Sängern....da bleibt mitunter das Lachen im Hals stecken. Das "Minne-Leed" mag ich auch sehr als Lied, fängt es doch da an, wo gewöhnlich Liebeslieder aufhören. Wir hören noch einige ganz unterschiedliche Texte und es ist immer ein Genuss! Endlich höre ich diese wunderbare Sprache einmal richtig. Natürlich kenne ich viele Texte als Lied, aber das ist etwas ganz anders. Das gesprochene Wort ist viel direkter - ohne schmückendes Beiwerk. Und dann noch dazu die Gesten, Mimik, Blicke - das ist einfach wunderbar. Ich könnte so noch viel länger zuhören, doch die Lesung wird jetzt zum Unplugged-Konzert. Benjamin, Rolly und Wolfgang Klinger greifen zu ihren Instrumenten und zaubern jetzt die andere Seite hervor. Ein Akustikbass, ein oder zwei Gitarren, je nach dem, mehr braucht es nicht, Rollys Texte in Lieder zu verwandeln. Sie verlieren nichts von ihrer Intensität, werden vielleicht ein wenig leichter hörbar, das Kölsch ist gesungen vielleicht besser zu verstehen. Rolly erzählt uns von seiner Poetologie. Das sei wie eine Landkarte, sagt er, wo Schreibanlässe drauf sind, bei ihm sind es Menschen. Immer wieder Menschen. Zum Beispiel Jean Jülich, der Edelweißpirat - er sitzt im Publikum - ihm und den anderen Edelweißpiraten ist das Lied "Wat söke uns Dräum?" gewidmet. Noch ein anderes erzählt von einer Frau, die außerhalb der Gesellschaft steht, deren Welt durch Krieg und Vertreibung "verrückt" wurde. Katzefresser. Das traurige Schicksal dieser Frau hat sich erst viele Jahre später erklärt. Und Rolly hat darüber diesen Text bzw. dieses Lied geschrieben. Einer meiner Lieblingsstücke vom "Siesta im Veedel" erklingt zum Schluss - ich kann mir leises mitsingen nicht verkneifen.

Nach fast drei Stunden verlangt Rolly, der Raucher, und die im Publikum sind ihm sicher dankbar, eine Pause und kommt zum Schluss. Ich glaube, jeder im Publikum war neugierig geworden und hat das Buch gekauft. Rolly hat bestimmt für jeden in alle Bücher kleine Widmungen geschrieben und jedes Buch ganz persönlich gemacht, viele Gespräche geführt und viel Lob und Anerkennung bekommen.

Wie gut, dass nach langen und teilweise schweren Geburtswehen das Buch doch noch das Licht der Bücherwelt erblickte. Texte verschwanden auf seltsame Weise vom PC und sind auf ebenso seltsame Weise wieder aufgetaucht. Kapriolen - doch dank der Turboaktion des Landpresse Verlag, Weilerswist, konnten wir die Buchpräsentation feiern. Wie viel Zeit - und sicher auch einige schlaflose Nächte - und unendlich viel Arbeit und Mühe es gekostet hat, kann man sicher nicht einmal ahnen. Ich wünsche dem Buch viel Öffentlichkeit und mindestens eine zweite und dritte Auflage.

Christel Amberg-Wiegand

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